В 1994 году корреспондентка Соня Микич попросила меня написать ей что-нибудь о "русской душе". Я написал этот текст. В радиопередаче она говорила другое, но, как она сказала, у нее получилось хуже.
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“Russische Seele”
Die “Russische Seele” ist ein Mythos, aber gerade ein Mythos ist das wahrste, was es geben kann. Es gibt z.B. kein Mythos ueber die “Amerikanische Seele”, wie ueber den “Russischen Cowboy”.
Unter der “Russischen Seele” wird verstanden, dass das Geistige viel wichtiger, als das Materielle ist.
In dieser Hinsicht - und nur in dieser - fuehlen sich die Russen den Auslaendern weit ueberlegen.
Wenn man das stressige Moskau verlaesst und in die Provinz faehrt - nach Nishnij Nowgorod oder nach Rostow-am-Don - da trifft man Leute, und da fuehlt man, dass es die “Russische Seele” gibt. In den meist unerwarteten Orten: einfach an einer Bushaltestelle, oder am Kiosk. Man kann Leute ueber die Sachen reden hoeren, die einer nie erwartet haette: ueber Literatur, Philosophie, Religion. Und nicht weil sie sich mit diesem Thema extra beschaeftigen, sondern einfach so, weil einer ein Buch gelesen hat, oder weil einer auf einen Gedanken gekommen ist.
Ich gehe jede Nacht um 0 h mit meinen zwei Hunden spazieren - einem Colli und einem Schaeferhundartigen Metissen, den man von der Datscha nach Moskau in die Stadtwohnung mitgenommen hat, weil der Wetterbericht einen besonders kalten Winter in diesem Jahr vorausgesagt hat, und weil das Werk, wo der Hund in den Wintern “gearbeitet” hat, lahmgelegt worden war.
Der Hund war voellig wild und fuer ihn war ein grosses Problem, in den Hauseingang hineinzugehen. Ich habe eine Stunde lang auf ihn eingeredet. Ununterbrochen erklaerte ich ihm, dass ihm nichts passiert, wenn er das Haus betritt, dass man in Moskau im Winter nicht draussen wohnen kann. Dabei lag der Hund auf dem Asfalt, hoerte mir zu und kaempfte mit seinen Reflexen. Frueher hat der Hund unter einem Landhaus gewohnt und hat in seinem Leben nur ab und zu die Landhaeuser fuer eine kuerzere Zeit betreten, um eine Wurst zu bekommen oder um gestreichelt zu werden. Meine Einreden haben offensichtlich gewirkt, weil keiner davor mit dem Hund in seinem ganzen Leben insgesamt so viel gesprochen hat - und mit schrecklichen psychischen Problemen ging der Hund in den Hauseingang letztendlich hinein. Das ist so etwas wie ein Fallschirmsprung fuer mich. (Aufzug war dann die naechste Hindernis).
“Am Anfang war das Wort, warum ist es so, Vater?” - Stummgeborener Junge, Andrej Tarkowskij, “Shertwoprinoschenije” (Opferbringung), Norwegen, Ende der 80-er Jahre.
Ich werde nie vergessen, wie ich am Todestag von Tarkowskij einen Arbeiter getroffen habe. Wir haben in einer Gemeinschaftswohnung in der Innenstadt Moskaus gewohnt. 7 Minuten vom Kreml zu Fuss. Das Gebaeude wurde 1755 von einem beruehmten Architekten erbaut. Das Haus hat den Brand von 1812 ueberstanden, weil es auf einem Huegel steht. Ihm gegenueber steht das ehmals prachtvolle Gebaeude des Jausskaja-Krankenhauses, wo 1812 Murat gestanden hat. Da riecht die ganze Umgebung nach Altmoskau. Da war ich in meinen Jungenjahren von den oertlichen Roudies erpresst worden. Alle drei haben ein schreckliches Ende erlebt: der eine im Gefaengnis, ein anderer wurde waehrend eines Kartenspiels erstochen und der dritte viel schwerbetrunken waehrend seiner Hochzeitsfeier von der dritten Etage aus dem Fenster. - Damals forderten sie von mir, dass ich draussen mein Cello auspacke und ihnen zeige, wie darauf gespielt wird. Fuer mich war - und ist auch jetzt - draussen das Cello auszupacken etwas absolut Unmoegliches. Schliesslich hat mich Gott davor doch irgendwie durch Zufall bewahrt. Damals war ich 11 Jahre alt.
Und nun bin ich Student oder Schulabsolvent und gehe ueber denselben wild mit Baeumen bewachsenen Huegel. Da kommt mir ein Arbeiter mit einer Flasche aus dem naechsten Weingeschaeft entgegen und fragt mich. “Haben Sie gehoert, dass Tarkowskij tot ist?” Nein, das habe ich nicht gehoert. Aber mich wundert in erster Linie, dass ein Werkarbeiter vom Lichatschow-Autowerk, wie es sich spaeter herausgestellt hat, so entruestet ueber den Tod von Tarkowskij ist. Tarkowskij war natuerlich eine sehr bekannte Persoenlichkeit in den Breshnew-Zeiten. Aber seine Filme galten fuer voellig unverstaendlich. Die Intellektuellen hielten es hingegen fuer ihre Pflicht, sich alle Tarkowskij-Filme anzusehen.
Der angetrunkene Arbeiter erzaehlte mir die Geschichte, wie er Tarkowskij-Filme zu lieben gelernt hat. Einmal ging er ins Kino und da war keine Komoedie, sondern ein Tarkowskij Film. Nach diesem Film ging er in die Werkbibliothek und sagte zum Werkbibliothekar (wahrscheinlich der groessten Autoritaet in intellektuellen Problemen): “Iossif Moissejewitsch, ich habe in diesem Film nichts verstanden - ueberhaupt nichts”. - “Und wieviele Male hast du dir ihn angesehen?” - “Einmal” - “Tarkowskijs Filme muss man sich 6 - 7 Mal ansehen, dann wirst du etwas verstehen.” Und so hat er sich denselben Film 7 Male angesehen, kannte ihn schon fast auswendig, dann noch einen Film und noch einen. Er kam zum Bibliothekar wieder und sagte: “Ja, Iossif Moissejewitsch, sie hatten recht”.
Wenn ich mit meinen zwei Hunden spazierengehe, sehe ich oft eine Frau am Hauseingang stehen. Einmal haben wir miteinander einwenig gesprochen, und ich habe von ihr etwas erfahren. Sie ist eine Glaeubige, und zwar eine “fanatisch” oder “richtig” Glaeubige, denen wir gewoehnlich aus dem Weg gehen, weil diese Leute sich zu stark von den anderen unterschieden, sie haben etwas gefunden, was die anderen nur suchen und deshalb wirken sie manchmal befremdend. Wenn man mit ihnen lange spricht kann man leicht in Ohnmacht fallen. Ihre Wirkung gleicht der Wirkung Kaspirowskijs. Und diese Frau steht vor dem Hauseingang um halb 1, weil sie betet und nicht von ihren Angehoerigen gestoert werden will. Das Gebet ist aber merkwuerdig. Zunaechst faengt sie an, normal zu beten, aber laut, vor sich hin. Dann beginnt sie, unverbundene Laute auszusprechen, und dabei denselben Sinn auszudruecken, den sie in Worten vorhin ausgedrueckt hat. Es gibt so eine Uebung im europaeischen Autotraining von Dr. Schmidt. Man spricht und singt 15 Minuten lang unverbundene Laute aus, das reicht, um den Stress des Tages abzubauen. Es stellt sich heraus, dass man so mit dem Gott sprechen kann. Und ich dachte mir: Das bedeutet, dass man so auch auf einem Musikinstrument spielen (improvisieren) kann. Denke an Free Jazz zum Beispiel. Wie der Saxofonist in Tschuchrais Film “Taxi Blues”: “Du liebst dein Auto, Wassja, und ich spreche mit dem Gott”. So einfach ist es. Was kann noch einfacher sein.
Liedermacher Okudshawa. Zwei Generationen Russen wurden auf den Liedern Okudshawas erzogen. Wenn es eine Russische Seele gibt, so ist sie in den Liedern von Okudshawa und in seinen Buechern, z.B. “Rende-vouz mit Bonaparte”. Wenn man in der Literatur von der russischen Seele spricht, so nennt man Tolstoi, Dostojewskij, Turgenew - wozu? Warum nicht in unserer Zeit? In jedem Lied Okudshawas klingt die russische Seele. (Manchmal spricht man auch von Wyssozkijs Liedern in Verbindung mit der russischen Seele).
Kann gut sein, dass in der Wendung “Russische Seele” das Wort “russisch” irrefuehrend ist. Die Leute suchen nach etwas Russischem, was es in Europa nicht gibt. Das duerfte falsch sein. Vielleicht hast Du auch eine “russische Seele”?
Meine Erfahrung dieses Jahres
-
Nach Überlegungen habe ich beschlossen, meine Erfahrung des Jahres
mitzuteilen und zugleich mich mit meinen neuen Studienfreunden vertraut zu
machen.
E...
5 дней назад
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